Entstehung der Schambeinentzündung

Ermüdungsbrüche im Schambein, Adduktorenschmerzen, Regionales Schmerzsyndrom

Über die Entstehung einer Schambeinentzündung besteht unter den Sportmedizinern noch keine Einigkeit. Vermutlich spielen eine Vielzahl von Ursachen eine Rolle. Allerdings ist bekannt, dass der vordere Beckenring nahe des Symphysenspalts das Zentrum der auf das Becken wirkenden Rotations-, Scher- und Distraktionskräfte des Sportlers darstellt.

Untersuchungen der Knochenstruktur des Schambeins (Os pubis) haben ergeben, dass es in diesem Knochen beim Vorliegen einer Schambeinentzündung zu einer vermehrten Durchblutung und zu einer Knochenneubildung kommt. Wir nehmen an, dass diese Veränderungen im Knochen eine Reaktion auf die auf den vorderen Beckenring wirkenden Kräfte sind.

Hartnäckiger Schmerz durch Mikrobrüche im Schambein

Diese Kräfte könnten zu sog. trabekulären Ermüdungsbrüchen (Zusammenbruch kleiner Knochenbälkchen im Inneren des Knochens) im Schambein führen. Diese sogenannten Mikrobrüche reduzieren nicht die Stabilität des Schambeins, führen aber zu Schmerzen, die denen eines Knochenbruchs ähneln (dumpfer hartnäckiger Schmerz) und verursachen die beobachtete Knochenneubildung. Sollte sich diese Theorie als richtig erweisen, dann haben wir es bei der Schambeinentzündung mit sog. nicht sichtbaren kleinen Knochenbrüchen zu tun, die die Funktion des Knochens beeinträchtigen, aber nicht zerstören und lediglich die bekannten Schmerzen verursachen.

Adduktorenschmerzen in fortgeschrittenen Stadien

Trainieren die Sportler beim Vorliegen einer Schambeinentzündung weiter und ignorieren diese Beschwerden, dann kommt es über diese Mikrobrüche hinaus zu weiteren schmerzhaften Veränderungen. Beobachtet wurden sog. Ermüdungsbrüche des Schambeins, die nun über die sog. Spongiosa (vorderer Beckenring) hinaus den ganzen Knochen betreffen und sich nun auch im Röntgen und in der MRT gut darstellen lassen.

Es kann zum Übergreifen der entzündlichen Knochenveränderungen auf die muskulären Ansätze der Adduktoren am Schambein kommen, was die häufigen und hartnäckigen Adduktorenschmerzen in fortgeschrittenen Stadien erklärt. Auch eine Lockerung der Bandstrukturen zwischen dem Schambeinknochen können wir immer wieder beobachten. In der Folge entsteht eine sog. Symphyseninstabilität, die eine lange konservative Behandlung erfordert (physiotherapeutische Stabilitätsübungen).

Wie kommt es, dass Sportler trotz intensiver Behandlung und Sportkarenz manchmal sogar ihre sportliche Aktivität einstellen müssen?

Werden diese Veränderungen weiterhin ignoriert, ist es unserer Ansicht nach durchaus denkbar, dass sich ein sog. regionales Schmerzsyndrom im vorderen Beckenring entwickelt, wie wir es an vielen anderen Stellen des Körpers nach Unfällen und chronischen Traumata kennen. Diese als CRPS (chronic regional pain syndrom) bezeichnete Erkrankung ist sicherlich im Zusammenhang mit einer Schambeinentzündung selten, würde aber schlüssig erklären, weshalb es immer wieder Sportler gibt, die trotz intensiver Behandlung und Sportkarenz über viele Monate nicht schmerzfrei werden oder sogar ihre sportliche Aktivität einstellen müssen.

Eine Schambeinentzündung sollte konsequent behandelt werden

Aus diesen Erklärungen folgt für den Sportler mit einer Schambeinentzündung, dass diese sich häufig schleichend entwickelnde Erkrankung konsequent behandelt werden sollte. Neben einer Reduzierung der sportlichen Belastung und der Aufdeckung sog. Begleiterkrankungen, wie beispielsweise Leistenbrüchen, Nervenkompressionserkrankungen, Hüfterkrankungen u.a., muss auch eine weiterführende Diagnostik erfolgen.

Warum trifft eine Schambeinentzündung den einen Sportler, den anderen aber nicht?

Jeder, der unter einer Schambeinentzündung gelitten hat oder leidet, wird sich irgendwann die Frage gestellt haben, weshalb es gerade ihn getroffen hat. Zwanzig andere Fußballspieler seiner Mannschaft, mit einem ähnlichen Trainingspensum, sind von dieser unseligen Erkrankung verschont geblieben!

Eine durchaus berechtigte Frage auf die es unserer Ansicht nach zum gegenwärtigen Zeitpunkt nur eine Antwort geben kann: Es müssen individuelle Störungen beim einzelnen Sportler hinzukommen, die schließlich die Erkrankung zum Ausbruch kommen lassen. Es ist also neben einer Reduzierung der Belastung auch eine umfangreiche Untersuchung oftmals spezifischer individueller Störungen nötig, die die Entstehung einer Schambeinentzündung erst ermöglicht haben.

Ruhe als Therapie reicht also nicht aus!